Nach den Landtagswahlen gestaltet sich die Regierungsbildung in Thüringen und Sachsen erwartungsgemäss schwierig. Ein mögliches Bündnis der Christlichdemokraten mit Sahra Wagenknechts Partei stösst nun auf Kritik aus den eigenen Reihen.
Beatrice Achterberg, Berlin
4 min
In der CDU rumort es. Nachdem die Christlichdemokraten ihre Wähler seit Monaten auf eine Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eingestimmt haben, platzt einigen Parteimitgliedern pünktlich zu den Gesprächen für eine Regierungsbildung in Thüringen und Sachsen der Kragen.
Eine Gruppe von 40 CDU-Mitgliedern fordert nun einen Unvereinbarkeitsbeschluss, wie er bereits für die AfD und die Linkspartei existiert. Es wäre dann die dritte Partei, zu der die CDU eine Brandmauer zieht.
Unterstützer kommen aus westlichen Landesverbänden
Zu den Unterstützern zählen unter anderem der Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter, der Europaparlamentarier Dennis Radtke und das Bundesvorstandsmitglied Monika Wüllner. Kiesewetter, der Mitglied im Auswärtigen Ausschuss ist, sagte: «Das BSW agiert als verlängerter Arm des Kreml.» Alle namentlich bekannten Kritiker stammen aus westlichen Landesverbänden, einige von ihnen gehören ins Lager der Merkelianer.
Der nordrhein-westfälische Christlichdemokrat Frank Sarfeld sagte dem «Tagesspiegel»: «Wagenknecht widerspricht allem, wofür die Unionsparteien seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland stehen: klare Westbindung, ein vereintes Europa und Mitgliedschaft in der Nato als dem grössten Friedensprojekt der Geschichte.»
Wie die AfD wende sich auch das BSW autoritären Systemen zu. «Mit solchen Gruppierungen darf es keine Zusammenarbeit geben», erklärte Sarfeld und sprach damit stellvertretend für die Initiative aus der Parteibasis.
«Nicht in die CDU eingetreten, um Koalitionen mit nationalbolschewistischer Partei zu schliessen»
Wüllner schrieb auf ihrem X-Account: «Ich bin nicht vor über 34 Jahren in die CDU eingetreten, um Koalitionen mit einer nationalbolschewistischen Partei zu schliessen.» Wenn die CDU keine Koalitionen mit der Linken eingehe, dann erst recht nicht mit dem BSW, so die Christlichdemokratin.
Der Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer äusserte sich bereits am Dienstagabend auf X: «Von einer Koalition der CDU mit dem BSW halte ich gar nichts. Das wäre Gift für die Glaubwürdigkeit der CDU – und zwar bundesweit. Die CDU muss weiterhin klar gegen Rechts- und Linksaussen stehen. Die Wagenknechte sind nicht die harmloseren Linken, sondern im Gegenteil.»
Der Parlamentarier Christoph Ploss gehört nicht zur Mitglieder-Initiative, sagte aber der NZZ, dass das BSW in der Aussen-, Wirtschafts- und Sozialpolitik sogar noch links von der Linkspartei stehe. «Diese Partei kann auf Bundesebene für uns kein Koalitionspartner sein – und schon gar nicht darf Frau Wagenknecht mit Sondierungen in Thüringen und Sachsen die gesamte Haltung der CDU zur Ukraine-Frage beeinflussen», so Ploss.
Merz überlässt Regierungsbildung den Landeschefs
Das BSW wiederum zeigt sich offen für Sondierungsgespräche mit den Christlichdemokraten. Man sei aber kein Mehrheitsbeschaffer für die CDU, betonte die BSW-Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali. Dem Deutschlandfunk sagte Mohamed Ali, dass zu ihren Bedingungen auch ein Signal gegen die Stationierung von amerikanischen Mittelstreckenraketen gehöre.
Die CDU-Spitze hat sich zu dem Widerstand in den eigenen Reihen bisher nicht geäussert. Zuvor hatten Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und der thüringische CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt deutlich gemacht, was für sie gehe und was nicht, sagte der Parteichef Friedrich Merz der Deutschen Presse-Agentur: «Ich habe absolutes Vertrauen in alle beide, dass sie mit dieser Aufgabe, die sie jetzt vom Wähler bekommen haben, sehr verantwortungsvoll umgehen.»
Merz selbst hatte eine Zusammenarbeit mit dem BSW im Juni ausgeschlossen. «Das ist völlig klar, das haben wir auch immer gesagt – wir arbeiten mit solchen rechtsextremen und linksextremen Parteien nicht zusammen.» Für die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht gelte beides: «Sie ist in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem.» Später spezifizierte der Oppositionsführer Merz, dass er nur die Bundesebene gemeint habe.
Statt BSW-Koalition wäre Minderheitsregierung möglich
Aus CDU-Kreisen heisst es, die Frage drohe die Partei zu zerreissen. Sollte die CDU auch nur anfangen, über eine Koalition mit BSW und Linker zu verhandeln, könnte es zu einer Austrittswelle kommen. Ein Abgeordneter sagte der NZZ, er wäre stattdessen für eine Minderheitsregierung.
In Thüringen wäre beispielsweise eine Minderheitsregierung aus CDU und SPD möglich mit Tolerierung durch das BSW und einer Stimme der Linken – die braucht es für eine parlamentarische Mehrheit. Für Gesetzesänderungen müsste die schwarz-rote Koalition dann jedes Mal aufs Neue Mehrheiten im Parlament gewinnen.
Ganz ohne BSW und Linke – sei es durch eine Koalition oder eine Tolerierung – läuft die Thüringer CDU aber auf ein anderes Problem zu. Da die thüringische Verfassung es zulässt, dass ein Ministerpräsident im dritten Wahlgang gewählt wird, wenn er die meisten Stimmen erhält, wäre ein Ministerpräsident unter bestimmten Gegebenheiten namens Björn Höcke denkbar. Das könnte etwa passieren, wenn in den ersten zwei Wahlgängen kein Kandidat die absolute Mehrheit erhält. So könnte der AfD-Kandidat mit Stimmen der AfD und einiger Abweichler Ministerpräsident werden.
Thüringen könnte also aus mehrfacher Hinsicht dem Parteichef Merz noch Sorgen bereiten. Demnächst soll verkündet werden, wer als Kanzlerkandidat ins Rennen geht, dabei ist Merz’ Kandidatur nicht ausgemacht. Der CSU-Chef Markus Söder hat mehrfach seine Bereitschaft erklärt, und auch dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, werden Ambitionen nachgesagt.
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